1

Projektansatz

„Älterwerden ist wie eine Reise—nur keiner hat es eilig, schnell ans Ziel zu kommen“
(Prof. Dr. Ernst Pöppel)

Jedes europäische Land ist mit einer demographischen Entwicklung konfrontiert, in der die ältere und die alte Generation an Lebensjahren stetig zunehmen. Innovative Projekte zum intergenerationellen Lernen sind jedoch mit der Tatsache konfrontiert, dass intergenerationelles Lernen ein sehr weites Feld ist, viele Politikbereiche berührt und dass die politische Debatte zu lange ihr Konzept der intergenerationellen Solidarität auf die Gesundheitsfürsorge und das soziale Fürsorgesystem gerichtet hat.

Innerhalb dieses weiten Bereiches hat das Projekt vier Themen identifiziert. Während   einige Anliegen gemeinsam sind, zeichnen sie sich doch zugleich durch verschiedene Akteure, Behörden und Herangehensweisen aus. Daher sollen sie getrennt untersucht  und unter dem Überbau des Intergenerationellen Lernens zusammengefasst werden. Die Themen sind:

  • Intergenerationelles Lernen in der Erwachsenenbildung
  • Intergenerationelles Lernen im Arbeitsleben und am Arbeitsplatz
  • Intergenerationelles Lernen in der frühkindlichen Bildung (Kinder im Alter von 3-10 Jahren)
  • Intergenerationelles Lernen in interkulturellen Zusammenhängen

Viele Projekte haben diese Themen bereits auf nationaler und europäischer Ebene behandelt. Einige haben Strategien untersucht und entwickelten Hilfsmittel und Modelle auf lokaler Ebene, während andere  ein Good-Practice-Verfahren über einige Länder hinweg bzw. innerhalb Europas versucht haben. Einige der letzteren haben politische Vorlagen und Empfehlungen an die Kommission, nationale Regierungen sowie anderen Behörden und Organisationen erarbeitet.

Eine Neuorientierung jedoch setzt ein Umdenken voraus. Deshalb gehen die Projektpartner von der Grundannahme aus, dass der Weg, Alter und Altern zeitgerecht zu verstehen, überholte Einstellungen zu verändern und zum Dialog zwischen jüngeren und älteren Generationen zu befähigen,  über Erziehung und Bildung führt.

Der Fokus wird auf die Bilder von Alter und Altern gelegt. "Menschen sind bilderbedürftig, ja bildsüchtig, weil sie Welt überhaupt nicht anders haben können als in Projektionen." 1 Auch in Bezug auf Alter und Altern kommen wir nicht umhin, in Bildern zu sprechen und zu denken, die  in hohem Maße von Gedächtnisbildern  geprägt sind.  Keine menschliche Erkenntnis ist ohne  bildhafte  Vorstellung und ohne Erinnerungsspuren.

Deshalb will GoAct  die Altersbilder, die in der Gesellschaft wirksam sind,  beleuchten, nach ihrer Genese fragen und sich ihrer prägenden Kraft  in den verschiedenen Bereichen des Lebens  vergewissern (z.B. auf die intergenerationellen Beziehungen). Altersbilder haben z. B. Einfluss darauf, was jüngere Menschen für ihr Alter erwarten und darauf, was Ältere sich zutrauen. Aktuell vorherrschende Altersbilder sind unangemessen, beruhen sie doch noch auf den Wahrnehmungs- und Vorstellungsbildern früherer Generationen. Deutlich ist die Gefahr gegeben, dass sich eine negative Einstellung gegenüber dem Alter und Altern herausbildet, wenn im Aufwachsen Bezugspersonen höheren Alters fehlen, wenn Kinder- und Schulbücher sowie  Medien stereotype Altersbilder unreflektiert transportieren, wenn die öffentliche Diskussion das Altern auf Pflege und Pflegenotstand reduziert (vgl. 6. Altenbericht). Generationsübergreifendes und zugleich generationssensibles Lernen lässt differenziertere und vielfältigere Altersbilder gewinnen. Dieser Ansatz als solcher wurde bereits in der Antragsbeurteilung ebenso als innovativ  (4 von 5 Punkten) eingestuft wie die Idee, von jungen JournalistInnen einen Fallbericht medial zu gestalten zu lassen, in dem die dialogische Begegnung mit einem älteren Menschen im Zentrum steht.

Der Projektansatz der Diversifikation der Altersbilder wird auch der Tatsache gerecht, dass der Anteil älterer Menschen mit Migrationshintergrund wächst und die Wahrnehmung der interkulturellen Dimension der Altersbilder dringend geboten ist.

Im Bereich der Altersbilder zeigt sich europaweit deutlich ein Forschungsdesiderat. In den USA werden die Sozialisationsprozesse von Kindern und Jugendlichen werden in den USA bereits seit Mitte des 20.Jahrhunderts von der gerontologischen Forschung untersucht; Europa sollte ebenfalls damit beginnen.

[1] vgl. z.B. Die Argumentation des Sozialwissenschaftlers Norbert Bolz, der in vielen Publikationen sich als bedeutender philosophischer Zeitdiagnostiker der Gegenwart zu Wort meldet, Zeitphänomene erklärt und für die Möglichkeit der Teilhabe an der Gesellschaft eintritt, indem er das Ziel der Chancengleichheit sein und nicht der Ergebnisgleichheit verfolgt.