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Der generationenübergreifende Bildungsplan – Die Perspektive der Erwachsenenbildung

Bernhard Schmidt-Hertha

Fragen an Anbieter generationenübergreifenden Lernens:

Kursstruktur:

  • Gibt es genug Zeit für Austausch und Diskussionen zwischen den Generationen?
  • Ist die Gruppengröße für einen intensiven Austausch der Teilnehmer förderlich?
  • Ist es möglich, den Lerninhalt lebenspraktisch anzuwenden, z.B. in Bildungseinrichtungen der Gemeinde?
  • Gibt es Lernstoff oder didaktisches Material für Lernende und Lehrende, bei welchem generationenübergreifendes Lernen im Mittelpunkt steht?

TeilnehmerIinnen:

  • Kommen die Teilnehmer im Alltag regelmäßig mit anderen Generationen in Kontakt?
  • Haben sie bereits Vorerfahrungen mit generationenübergreifenden Lernsettings gemacht?
  • Sind sie erfahrene Lernende oder bestehen möglicherweise Lernschwierigkeiten, die Lernbarrieren verursachen könnten?
  • Haben Teilnehmer verschiedener Altersgruppen ähnliche Lernziele oder verfolgen sie andere Lerninteressen? Falls letzteres der Fall ist, ist es dann möglich, diesen unterschiedlichen Zielvorstellungen in einem Kurs gerecht zu werden?

Lehrende:

  • Sind diese bereit, generationengemischte Gruppen zu unterrichten?
  • Sind sie es gewohnt, in heterogenen Gruppen zu arbeiten und verschiedene Lerntypen und unterschiedliche Lernziele miteinander zu vereinbaren?
  • Sind sie im Umgang mit Konflikten und schwierigen Gruppendynamiken geschult?
  • Haben sie ein didaktisches Konzept gefunden, um einen Nutzen aus den unterschiedlichen Erfahrungshorizonten der verschiedenen Generationen in der Gruppe zu ziehen? Sind sie in der Lage, aus der Heterogenität einen Vorteil für den Lernprozess zu ziehen?

Organisation:

  • Gibt es für Lernende und Lehrende Unterstützungsmöglichkeiten bei Lernschwierigkeiten, Konflikten oder anderen Problemen?
  • Wurden die Lernenden beraten, bevor sie sich für ein generationenübergreifendes Lernarrangement entschieden haben?
  • Wurden die Lernenden zuvor darüber aufgeklärt, wie genau der Kurs gestaltet sein wird und was generationenübergreifendes Lernen bedeutet?
  • Wurden die Lehrenden über die Ziele des Kurses, die Erwartungen der Teilnehmer und verfügbare Materialien aufgeklärt?

Qualitätssicherung:

  • Ist eine frühe, grundlegende Evaluationsphase geplant, um Probleme im Anfang zu erkennen und unverzüglich auf sie zu reagieren?
  • Welche Strategien werden angewendet, um die Qualität des Lernarrangements zu sichern? Auf welche Weise werden die Ergebnisse des Kurses ausgewertet und dokumentiert?

Warum generationenübergreifendes Lernen und Solidarität wichtig sind – Die Perspektive der Erwachsenenbildung

Erwachsenenbildung birgt das Potential, die Solidarität zwischen verschiedenen sozialen Gruppen und zwischen Generationen zu fördern, indem sie Raum für soziale Zusammentreffen schafft, die losgelöst vom restlichen Lebenskontext stattfinden können. In der Schule sind Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden stets durch eine hierarchische Struktur charakterisiert. „Miteinander lernen“, ohne Hierarchien, kann in der Erwachsenenbildung am besten realisiert werden, wenn Stellvertreter verschiedener Generationen gemeinsam als Lernende zusammenkommen. Erwachsenenbildung bietet Raum für Begegnungen, bei denen der Austausch zwischen verschiedenen Generationen ermöglicht wird und wo die Teilnehmer wiederum lernen, die Erwartungen der jeweils anderen Generation bezüglich Solidarität und Zusammengehörigkeit zu erkennen. Lernen leistet zudem einen Beitrag zur Bewusstheit über eigene stereotype Vorstellungen und die Bereitschaft, diese in Frage zu stellen. Gemeinsames Lernen im Zusammentreffen mit älteren Generationen kann negative Stereotypien gegenüber dem Alter abbauen. Negative Sichtweisen auf das Altern abzubauen ist unerlässlich, um Möglichkeiten für aktives Älterwerden zu schaffen, welche auf einem positiven Selbstkonzept im Alter und einer respektvollen Wahrnehmung der Kompetenzen älterer Menschen beruhen.

Zusätzlich zu diesen grundlegenden Folgen des generationenübergreifenden Dialogs sind die unterschiedlichen Generationen außerdem in der Lage, voneinander im Zusammenhang der Erwachsenenbildung zu lernen und füreinander neue Handlungsspielräume zu schaffen. Während die jüngere Generation häufig eine Rolle spielen kann, wenn es darum geht, ältere Lernende mit digitalen Medien bekannt zu machen und sie darin zu unterstützen, diese zu nutzen, können jüngere Lernende im Gegenzug von der Lebenserfahrung älterer Personen profitieren. Somit kann gemeinschaftliches Lernen Möglichkeiten schaffen, individuelle und generationenspezifische Kompetenzen zu nutzen und zu erweitern sowie die soziale Teilhabe aller zu stärken. Diese beiden Aspekte – Kompetenzentwicklung und Stärkung sozialer Teilhabe – können als Kernaufgaben der Erwachsenenbildung gesehen werden und leisten einen direkten Beitrag zur sozialen Inklusion aller Generationen sowie zur Solidarität zwischen den Generationen.

Diese Empathie der Generationen füreinander kann langfristig aufrechterhalten werden, wenn das Einnehmen der Perspektive der jeweils anderen Generation und das Nachvollziehen von generationengeprägten Weltansichten und Interpretationsmustern explizit zu den Zielen bildungsbezogener Maßnahmen gezählt werden.

Getreu dem Ansatz des „Lernens übereinander”, wird der Austausch über das Verhältnis zwischen den Generationen und die damit assoziierte Schichtung der Generationen so zum Schwerpunkt der Lehr-Lern-Prozesse. Voraussetzungen dafür, dies auch umsetzen zu können, sind einerseits curricularer Spielraum, um generationenspezifische Perspektiven und Erfahrungen zu thematisieren, sowie andererseits Motivation und Interesse auf Seiten der Lernenden, in den Austausch mit einer anderen Generation zu treten. Darüber hinaus verlangt diese Art des generationenübergreifenden Lernens der Lehrkraft besondere Fertigkeiten ab.

Folglich sollten Programme der Erwachsenenbildung gefördert werden, die direkt auf eine Begegnung zwischen verschiedenen Generationen abzielen und damit über die bloße gemeinsame Beschäftigung mit einem Gegenstand hinausgehen, indem sie die Teilnehmer dafür sensibilisieren, die Perspektive der jeweils anderen Generation zu verstehen.

Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang Angebote der Erwachsenenbildung, die die Teilnehmer über den unmittelbaren Lernkontext hinaus beeinflussen, indem sie diese dazu befähigen, in den intergenerationellen Dialog zu treten und soziale Teilhabe fördern. Das eigentliche Ziel solcher Lernprojekte liegt jenseits des vorstrukturierten pädagogischen Handlungsspielraums und erstreckt sich weit über den zeitlichen Rahmen der eigentlichen Veranstaltung. Ziel ist es, die Teilnehmenden dazu zu bewegen, das Verhältnis zwischen verschiedenen Generationen selbstbestimmt und anhaltend zu verändern.

Auch im beruflichen Kontext muss generationenübergreifendes Lernen verstärkt etabliert werden. Hier bieten Bildungszusammenhänge wie berufliche Weiterbildung und berufsbegleitende Ausbildung eine großartige Möglichkeit, um generationenspezifische Ansätze und Erfahrungen über alltägliche Arbeitsprozesse hinaus zu thematisieren. Dies scheint zunehmend wichtig zu werden, je weiter das Rentenalter heraufgesetzt wird. Dennoch sind nicht nur passende Bildungsprogramme wichtig; vielmehr ist es besonders notwendig, die Beratung für Firmen und Personalentwicklungsabteilungen im Hinblick auf generationenübergreifendes Lernen zu vertiefen.

Eine weitere Vorbedingung für anspruchsvolle, generationenübergreifende Lernprojekte – innerhalb wie außerhalb des beruflichen Bereichs – sind entsprechend qualifizierte Lehrkräfte. Trotzdem gibt es im Bereich des generationenübergreifenden Lernens bisher keine Angebotsstrukturen zur Weiterbildung von Lehrkräften. Hier müssen angemessene Programme zur Weiterbildung von Fachkräften eingerichtet und erweitert werden.