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Der generationenübergreifende Bildungsplan – Die Perspektive des Arbeitsplatzes

Stephen McNair

Fragen an ältere Arbeitnehmer:

  1. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, welche Fähigkeiten und Kenntnisse Sie haben, von denen ihre jüngeren Arbeitskollegen profitieren könnten?
  2. Wie haben Sie die Fähigkeiten, durch welche Sie Ihre Arbeit gut machen können, gelernt? Wie könnten Sie das Gelernte an Ihre Kollegen weitergeben?
  3. Haben Ihre jüngeren Arbeitskollegen Fähigkeiten und Kenntnisse, die Sie selbst gerne erlernen würden? Wie könnten Sie Ihre Kollegen dazu bringen, Ihnen zu helfen?
  4. Wenn Menschen über 50 unerwartet arbeitslos werden, ist es für sie oftmals schwer, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Haben Sie sich einmal darüber Gedanken gemacht, welche Fähigkeiten Sie haben, die Sie einem neuen Arbeitgeber bieten könnten, falls Sie an Ihrer jetzigen Arbeitsstelle arbeitslos werden würden, oder darüber, wie Sie geeignete Fähigkeiten entwickeln könnten?

Fragen an jüngere Arbeitnehmer:

  1. Ältere Arbeitnehmer haben oftmals aus ihrer langjährigen Berufserfahrung gelernt. Wie könnten Sie von ihnen lernen?
  2. Haben Sie besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, die Sie an ältere Arbeitskollegen weitergeben könnten?

Fragen an Vorgesetzte:

  1. Ist der Zugang zu offiziellen Fortbildungskursen für alle Arbeitnehmer gleichermaßen gewährleistet?
  2. Die Qualität der geleisteten Arbeit verbessert sich oftmals, wenn die Arbeitnehmer eine klare Vorstellung davon haben, wie ihre Arbeit in einen größeren Rahmen einzuordnen ist – also der Organisation und ihrem eigenen Platz darin. Können die Bildungsangebote den Mitarbeitern helfen, ihren Blick auf die Organisation und ihre zukünftigen Karrieren zu erweitern oder konzentrieren sie sich ausschließlich auf die unmittelbaren Aufgaben?
  3. Schaffen Sie Möglichkeiten für jüngere und ältere Arbeitnehmer, um Ideen und Erfahrungen auszutauschen?

Fragen an die Bereichsleitungen und die Personalabteilung:

  1. Regt Ihre Einrichtung ihre Mitarbeiter dazu an, sowohl voneinander als auch durch offizielle Kurse zu lernen?
  2. Haben Sie berücksichtigt, dass sich die Bestrebungen und das Leistungsvermögen am Arbeitsplatz im Alter verändern können und folglich wie Arbeitsplätze gestaltet werden können, um sich daran anzupassen?
  3. Regt Weiterbildung die Arbeitnehmer (aller Altersgruppen) dazu an, ihre Horizonte und Karrierevorstellungen zu erweitern?
  4. Hat sie Verfahren entwickelt, die es Arbeitnehmern, die sich dem Rentenalter annähern erleichtern, ihr Wissen und ihre Fertigkeiten an jüngere Kollegen weiterzugeben?

Warum generationenübergreifendes Lernen am Arbeitsplatz wichtig ist - Die Perspektive Arbeitsplatz

Es gibt zwei Hauptgründe dafür, dass intergenerationelles Lernen am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle spielt: zum einen die Hochsetzung des Renteneintrittsalters auf über 65 Jahre, zum anderen der rasante Fortschritt der Technologien und Arbeitsmethoden am Arbeitsplatz. Diese beiden Faktoren bewirken, dass die Menschen länger arbeiten und lebenslanges Lernen zugleich notwendiger geworden ist.

Anfang des 20. Jahrhunderts führten die meisten Länder den Begriff „Ruhestand“ ein, verbunden mit einer Rente, um es den Menschen zu ermöglichen, ihren Lebensunterhalt weiter zu bestreiten, nachdem sie im Berufsleben bezahlte Arbeit geleistet hatten.

Doch seitdem hat sich die Lebenserwartung europaweit stetig verlängert1, was wiederum zur Folge hat, dass die Länge des Rentenalters und damit verbunden die Kosten für Renten rapide gestiegen sind. Als Folge dessen strebten die Regierungen schließlich nach einer Erhöhung des Rentenalters2. Aber über einen noch längeren Zeitraum einfach die gleiche Tätigkeit weiter auszuüben kann nicht für alle eine realistische Option sein. Der rasante technologische Fortschritt hat zur Folge, dass jeder, der seinen Beruf mit Anfang 20 erlernt und sich seitdem nicht weitergebildet hat, 30 bis 40 Jahre später wahrscheinlich nicht mehr beschäftigt werden kann. Man benötigt die Möglichkeit, sowohl seine Fähigkeiten als auch sein Wissen durch formale Weiterbildungsangebote, aber auch durch informelles Lernen von Arbeitskollegen weiterzuentwickeln, welche ganz unterschiedlich alt sein können.

Obwohl es politische Widerstände gegen die Erhöhung des Rentenalters gibt, lässt sich aus Forschungsergebnissen ableiten, dass viele ältere Menschen die Chance, noch länger zu arbeiten, gerne nutzen würden, wenn ihre Tätigkeit interessant ist und sich ihr Unterhalt damit finanzieren lässt. Zwar ist die Auffassung weit verbreitet, dass die Leistungsfähigkeit von Menschen um die 60 rasant abnimmt, doch Forschungsergebnisse belegen deutlich, dass die meisten Personen um die 60 heute viel gesünder und leistungsfähiger sind als frühere Generationen in vergleichbarem Alter. Zudem führen Veränderungen in den Arbeitsmethoden und der Technologie dazu, dass die meisten Arbeiten weitaus weniger körperliche Anstrengungen erfordern als in der Vergangenheit, was das Arbeiten für Menschen mit abnehmender körperlicher Leistung erleichtert. Studien zur relativen Leistung älterer und jüngerer Arbeitskräfte zeigen auf, dass ältere Menschen im Allgemeinen vergleichbare Ergebnisse erzielen, wobei sie zwar langsamer arbeiten, aber auch weniger Fehler machen, da sie meist auf jahrelange Erfahrung zurückgreifen können. In Ländern, in denen es keine gesetzlichen Bestimmungen gibt um dem vorzubeugen, leisten manche Menschen bis zum Alter von 90 Jahren zufrieden bezahlte Arbeit.

Ein großer Teil der wichtigsten Lernprozesse, die Menschen an ihrem Arbeitsplatz machen, ergibt sich aus informellen Kontakten zu Arbeitskollegen mit unterschiedlichen Kenntnissen und Fertigkeiten. Dieses Lernen geschieht oftmals beiderseitig: durch einen gegenseitigen Austausch von Fachkompetenz. Ein klassisches Beispiel für solches Lernen ist, wenn ältere Arbeitnehmer, die bisher wenig Kontakt mit Computern und Informationstechnologien hatten, den Umgang hiermit von jüngeren Menschen lernen, welche mit diesen Technologien aufgewachsen sind, während jüngere Arbeitnehmer die impliziten Fertigkeiten erlernen, welche sich ältere Arbeitnehmer im Laufe der Jahre durch ihre Erfahrung und Übung angeeignet haben. Gelegentlich ist ein solcher Wissensaustausch durch organisierte Programme formal strukturiert, um erfahrenen Arbeitnehmern zu helfen, Fähigkeiten als Lehrende zu entwickeln, ihr Expertenwissen durch strukturierte Darstellung weiterzugeben, angesehene Mentoren zu sein.

Jedoch ist nicht jede Arbeit „gute Arbeit“ und manche Arbeitsanforderungen schädigen die Gesundheit älterer Arbeitnehmer. Ein gut organisierter, generationenübergreifend funktionierender Arbeitsplatz ist in der Regel leicht zu erkennen und kann sich leicht an die Veränderungen der Bestrebungen und Fertigkeiten seiner Mitarbeiter im Laufe ihres Lebens anpassen. Er fördert zudem informelle Kontakte zwischen den Generationen und zwischen den Organisationseinheiten, sodass Arbeitnehmer aller Altersstufen sich ein Bild der zugrundeliegenden Absichten der Organisation machen können, ihre Stellung darin einschätzen und mögliche Gelegenheiten für zukünftige Karriereentwicklungen (welche in jedem Alter stattfinden können) wahrnehmen können.

[1] Alle fünf Jahre erhöht sich die Lebenserwartung um ein Jahr.
[2] Damit diese länger in die Rentenkasse einzahlen und nicht so lange Pension beziehen.